Milow ist in der Pubertät angekommen: kein Grashalm ist mehr vor ihm sicher, seinen Speichel kann er kaum noch kontrollieren und unsere Kommandos interessieren ihn außerhalb der eigenen vier Wände nicht mehr. Die Hormone haben ihn vollkommen im Griff. Außer, dass er keine Hündinnen besteigt, nimmt er gerade alles mit, was einen pubertierenden Hund so anziehen kann.
Warum entscheiden wir uns für eine Kastration?
Unser Labmaraner ist zuhause der liebste Hund. Er hört nach wie vor sehr gut, verhält sich im Alltag recht entspannt und reift mit der Zeit immer mehr. Anders sieht es leider außerhalb der Wohnung aus. Die oben beschriebenen Merkmale sind nur wenige, die seine Pubertät mit sich bringt. Am anstrengendsten empfinde ich tatsächlich seinen Ungehorsam und seinen Dickkopf, wenn er draußen nicht mehr auf unsere Worte reagiert, überdreht und durchgängig an der Leine zieht.
Leider kam es in den letzten Wochen schon häufiger vor, dass er im Freilauf auf unser Rückrufsignal nicht mehr gehört hat. Sein Blick galt nur noch der Umwelt, sodass da kein Raum mehr war, sich noch weiter an uns orientieren zu können. Ich konnte ihn nicht mehr freilaufen lassen und musste auf die Schleppleine zurückgreifen, um ihm wenigstens etwas Freilauf gewähren zu können. Es musste eine Lösung für diesen anhaltenden Zustand her. Meines Erachtens hat hier auch nicht unsere gut trainierte Leinenführigkeit versagt. Die Hormone haben ihm einfach so zugesetzt, dass er deswegen nur noch gestresst war.

Welche Kastrationsmethode wählen wir?
Gemeinsam mit Milows Tierärztin suchten wir beim letzten Tierarztbesuch vor wenigen Wochen nach einer Möglichkeit, wie wir zukünftig einen stressfreieren Umgang mit Milow haben können. Mein Freund und ich kannten bis zu dem Zeitpunkt nur die Methode der chirurgischen Kastration bei Rüden, bei der dem Hund die Hoden entfernt werden. Wir wollten diese drastische Maßnahme aber eigentlich noch nicht in Erwägung ziehen und fragten nach einer Alternative. Diese stellt für uns nun die chemische Kastration für ein Jahr dar.
Was ist eine chemische Kastration?
Die Tierärztin klärte uns über eine sinnvolle Alternative beziehungsweise eine der möglichen chirurgischen Kastration vorausgehende Maßnahme auf: die chemische Kastration. Bei dieser wird dem Rüden ein Chip-Implantat, ähnlich wie der Mikrochip zur Kennzeichnung, unter die Haut im Nacken gesetzt. Damit kann man die Wirkung einer chirurgischen Kastration, wahlweise für ein halbes oder ein ganzes Jahr, imitieren. Die Methode des Kastrations-Chips, des sogenannten „Suprelorin-Chips“, wird oft bevorzugt, um zu schauen, ob die unerwünschten Verhaltensweisen beim eigenen Hund hormonell bedingt sind und durch eine Kastration wirklich verschwinden.
Wie wirkt eine chemische Kastration?
Der Chip beinhaltet den Wirkstoff „Deslorelin“, der in dem gewissen Zeitraum kontinuierlich in niedriger Dosis in den Körper des Hundes abgegeben wird. Es kommt zu einer vorübergehenden Unfruchtbarkeit, die durch diese Methode ohne eine Operation gewährleistet werden kann. Die volle Wirkung tritt allerdings erst nach vier bis sechs Wochen ein. Am Anfang kann das typische Verhalten des Rüden dadurch erst noch einmal weiter verstärkt werden.
Welche Auswirkungen kann eine chemische Kastration haben?
Typische Verhaltensweisen eines Rüden, die vom Halter als problematisch eingestuft werden, werden durch das Geschlechtshormon „Testosteron“ beeinflusst. Dieses wird sowohl bei einer chirurgischen Kastration als auch bereits bei einer chemischen Kastration unterbunden. Anders hingegen sieht es mit unerwünschtem Verhalten aus, das andere Ursprünge hat – wie beispielsweise eine territoriale Aggression. Dieses wird durch solch einen Chip nicht verhindert.
Folgende Veränderungen treten neben der vorübergehenden Unfruchtbarkeit regulär ein:
- Verkleinerung der Hoden (bis zu 30 % laut unserer Tierärztin)
- Abnahme / Verschwinden von Sexualverhalten
- Verstärktes Futterverlangen durch veränderten Stoffwechsel (Gewichtszunahme sollte vom Halter verhindert werden)
- Fellveränderungen
- Abnahme von aggressivem Verhalten
Aber auch hier sind die Veränderungen von Hund zu Hund unterschiedlich. Gerade deshalb dient der Chip ja dazu, als Halter herauszufinden, was eine Kastration beim Rüden langfristig positiv, aber auch negativ beeinflussen kann.
Welche Vorteile hat die chemische Kastration gegenüber der chirurgischen Kastration?
- Für die Einsetzung des Chips braucht es keine Narkose (so kommt er auch bei älteren und herzkranken Tieren noch in Frage)
- Das Einsetzen passiert ganz schnell und ist kaum schmerzhaft
- Die Wirkung des Chips ist nur vorübergehend, da der Wirkstoff des Chips in dem jeweiligen Zeitraum verbraucht ist und die Wirkung dann verschwindet (demnach sind die Nebenwirkungen reversibel, also umkehrbar)
Wann kann eine chemische Kastration angewendet werden?
Der Kastrations-Chip kann bei gesunden, erwachsenen Hunden jederzeit eingesetzt werden. Der Einsatz sollte allerdings nicht gleichzeitig mit einer Impfung durchgeführt werden, um eine gegenseitige nachteilige Beeinflussung des Immun- und Hormonsystems des Hundes zu verhindern. Bei manchen Erkrankungen darf er allerdings nicht eingesetzt werden. Zudem ist solch ein Chip nur bei Rüden erlaubt – nicht aber bei Hündinnen oder Katern / Katzen.
Wie viel kostet eine chemische Kastration?
Für den 6-Monats-Chip muss man mit Kosten von rund 100 Euro rechnen, bei einem 12-Monats-Chip um die 175 Euro. Eine chirurgische Kastration hingegen hängt preistechnisch von der Größe des Hundes und eventuellen Komplikationen ab und kann zwischen 200 und 250 Euro kosten. Diese Summe bezieht sich allerdings rein auf die Operation selbst, die Kosten für die Nachsorge, wie Kontrolluntersuchungen oder das Fäden ziehen, kommen noch dazu.
Was hat uns bei der chemischen Kastration überzeugt?
Wir haben uns für eine chemische Kastration entschieden, weil wir eben gerne erst einmal schauen möchten, welche Verhaltensweisen bei Milow positiv beeinflusst werden. Wir haben uns bewusst für den Zeitraum von einem Jahr entschieden, um eine langanhaltendere Wirkung garantieren zu können, die uns langfristig zeigen kann, welche Veränderungen bei seinem Verhalten auftreten. Zudem wollten wir uns nicht schon wieder nach einem halben Jahr erneut entscheiden müssen, wie wir weiter verfahren wollen. Denn dann müssten wir uns bereits vor Ende der Wirkung überlegen, ob wir nachchippen lassen wollen oder eine chirurgische Kastration bevorzugen möchten. Aus Kostensicht ist es nämlich empfehlenswert, über die nächste anstehende Entscheidung ausführlich nachzudenken. Denn die Kosten von rund drei solcher Chips entsprechen den Kosten eines derartigen chirurgischen Eingriffs.
Welche Erwartungen haben wir an die chemische Kastration?
Wir erhoffen uns von dem Chip, dass Milow außerhalb der eigenen vier Wände wieder aufmerksamer gegenüber uns ist und unsere Kommandos besser befolgt. Weniger schnuppert, markiert und das Ziehen an der Leine unterlässt. Wir wollen dadurch mit ihm aber auch keinen ruhigen Hund haben, der nur herumliegt. Wir möchten ihn ja gerne fordern, wünschen uns nur wieder eine bessere Zusammenarbeit. Durch diese Methode können wir ihm den Hormonstress nehmen und versprechen uns im Umgang mit ihm eine Erleichterung. Wir vertrauen hier auch auf die Erfahrungen von uns bekannten Hundehaltern, die die chemische Kastration bei ihrem Rüden durchgeführt haben und rückblickend mit ihrer Entscheidung dafür sehr zufrieden sind. Wir sind schon jetzt sehr gespannt, wie unser Hund den Kastrations-Chip für ein Jahr vertragen wird.